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SBQ-G
Sexual Behaviour Questionnaire - deutsche Fassung
Kurzabstract
Die deutsche Version des SBQ ist ein kurzes Selbstbeurteilungsinstrument zur differenzierten Beurteilung und Quantifizierung von sexuellen Funktionen und Funktionsstörungen in verschiedenen Bereichen der Sexualität (Libido, Erregung, Befriedigungserleben) bei erwachsenen Frauen (10 Items) und Männern (11 Items). Er orientiert sich konzeptuell an den theoretischen Arbeiten zum sexuellen Reaktionszyklus (Masters et al., 1997), biopsychosozialen Modellen sexueller Funktionsstörungen (Müller, 2011; Sadock, 1989) und der Klassifikation sexueller Funktionsstörungen der ICD-10 (WHO, 2011). Reliabilität: Die Retestreliabilität (Cohens Kappa) für die Einzelitems (Retest nach 10-45 Tagen) liegt bei Gesunden zwischen Median = .71 (Männer) und Median = .79 (Frauen) bzw. bei Median = .74 (Gesamtgruppe). Für die kategoriale Einteilung (Auffälligkeit: ja/nein, Gesamtgruppe) liegt der Wert bei Median = .82. Der Globalindex (MGISD) erreichte Retestreliabilitäten von Kappa = .88 (Männer), Kappa = .86 (Frauen) bzw. Kappa = .90 (Gesamtgruppe). Validität: Die Items zeigen hohe "face validity" (Inhalts- und Konstruktvalidität). Befunde zur Originalversion (Vergleich von 60 Patienten mit schizophrener Störung und 60 gematchten Gesunden, Einfluss von Medikamenten, Geschlecht und Alter) belegen die klinische Validität.
Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID). (2019). Open Test Archive: SBQ-G. Sexual Behaviour Questionnaire - deutsche Fassung. Verfügbar unter: https://www.testarchiv.eu/de/test/9007011
Zitierung
Müller, M. J. (2016). SBQ-G. Sexual Behaviour Questionnaire - deutsche Fassung [Verfahrensdokumentation und Fragebogen]. In Leibniz-Institut für Psychologie (ZPID) (Hrsg.), Open Test Archive. Trier: ZPID.
https://doi.org/10.23668/psycharchives.5139
Kurzinformationen
Kurzname SBQ-G
Engl. Name Sexual Behaviour Questionnaire - German version
Autoren Müller, M. J.
Erscheinungsjahr im Testarchiv 2016
Copyright/Lizenz Copyright Autoren; CC-BY-NC-ND 3.0
Schlagworte Sexualverhalten, Sexuelle Funktionsstörungen, Genitale Störungen bei Männern, Erektile Dysfunktion, Lebensqualität, Geschlecht, Orgasmus, Masturbation, Geschlechtsverkehr (Mensch), Zufriedenheit, Begehren
Sprachversionen deu
Konstrukt Vierstufenmodell der sexuellen Reaktion (Masters, Johnson & Kolodny, 1997)
Altersbereich 18-80 Jährige
Itemzahl 10 Items (Frauenversion), 11 Items (Männerversion)
Subskalen Keine; sexuelle Funktionen und Funktionsstörungen
Durchführungszeit ca. 5-10 Min.
Auswertungsdauer Wenige Minuten.
Retestreliabilität: Cohens Kappa Median = .71-.90 (Retest nach 10-45 Tagen).
Angaben zur Inhalts- und Konstruktvalidität sowie zur klinischer Validität.
Keine.
Anwendungsbereich Forschung, Praxis
Diagnostische Zielsetzung
Die deutsche Version des Sexual Behaviour Questionnaire (SBQ-G) ist ein kurzes Selbstbeurteilungsinstrument zur differenzierten Beurteilung und Quantifizierung von sexuellen Funktionen und Funktionsstörungen in verschiedenen Bereichen der Sexualität (Libido, Erregung, Befriedigungserleben) bei erwachsenen Frauen (10 Items) und Männern (11 Items). Ausgehend vom Vierstufenmodell der sexuellen Reaktion (Masters, Johnson & Kolodny, 1997) von Männern und Frauen (Erregungsphase, Plateauphase, Orgasmus, Rückbildungsphase) werden sexuelle Funktionsstörungen in den Domänen Libido, Erregung, Erleben (Orgasmus) sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr differenziert erfasst. Das Verfahren ist in der Normalbevölkerung und bei Patienten mit psychischen und somatischen Störungen oder unter Medikamentenwirkungen einsetzbar und sowohl für die Forschung als auch für die Anwendungspraxis geeignet (Müller, 2014). Die medizinische Diagnose einer sexuellen Funktionsstörung sollte unabhängig auf der Grundlage eines diagnostischen Klassifikationssystems erfolgen (ICD/DSM).
Aufbau
Der SBQ-G umfasst für Männer 11 Fragen (Items) und für Frauen 10 Fragen (Items) zur Selbstbeurteilung, dabei sechs gemeinsame Items für Männer und Frauen zu dem Wunsch nach Geschlechtsverkehr (Item 1), der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs (Item 2), der Häufigkeit der Selbstbefriedigung (Item 3), Erregung (Item 4), der Genussfähigkeit bei Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung (Item 5) und der globalen Zufriedenheit mit dem Sexualleben (Item 6). Darüber hinaus werden mit Hilfe vier weiterer Items spezifisch für Frauen Fragen nach Orgasmuserleben (Item 7F), Zufriedenheit mit der Orgasmusintensität (Item 8F), Schmerzen beim Sex (Item 9F) sowie der Regelmäßigkeit der Menstruation (Item 10F) gestellt. Mit fünf Items spezifisch für Männer werden Erektionsfähigkeit (Item 7M), das Aufrechterhalten einer Erektion (Item 8M), verzögerter Samenerguss (Item 9M), vorzeitiger Samenerguss (Item 10M) sowie die Zufriedenheit mit der Orgasmusintensität (Item 11M) erfragt. Die Standardinstruktion bezieht sich auf den Zeitraum der zurückliegenden drei Monate. Die Instruktion kann abhängig vom Untersuchungsziel jedoch auch mit variablem Zeitraum angeboten werden. Alle Items sind mit vier Antwortmöglichkeiten (a-d) formuliert; zusätzlich ist für die Items 4-11 eine weitere Antwortalternative (e) möglich ("ich habe keinen Sex/keine Selbstbefriedigung"). Die Antworten in Textform beschreiben Häufigkeiten (Items 1, 2, 3, 5, 6; Frauen: Items 7, 9, 10; Männer: Items 7, 8, 9, 10) bzw. den Grad der Zustimmung (Item 4; Frauen: Item 8; Männer: Item 11). Die Items werden einzeln ausgewertet und bilden ein Profil (keine Skalenbildung). Hierfür werden die Antwortalternativen a) bis d) kodiert in 0 = ausgeprägte Auffälligkeit/Störung, 1 = moderate Auffälligkeit/Störung, 2 = leichte Auffälligkeit, 3 = keine Auffälligkeit. Zur kategorialen Auswertung (Auffälligkeit/Störung: ja/nein) werden nach MacDonald et al. (2003) Itemantworten mit "0" und "1" (auffällig) bzw. "2" und "3" (unauffällig) zusammengefasst. Wenn bei mindestens einem der Items 4-11 (Männer) bzw. der Items 4-10 (Frauen) keine sexuelle Aktivität angegeben wird, entfällt die Auswertung dieser Items. Außer der Einzelitemauswertung wird ein "Mean Global Index of Sexual Dysfunction" (MGISD) als arithmetisches Mittel aus Item 1 (Libido), Item 4 (Erregung), Item 5 (sexuelle Genussfähigkeit), Item 6 (Zufriedenheit mit Sexualität) und Item 8/11 (Zufriedenheit mit Orgasmus) für Frauen und Männer vorgeschlagen (Müller, 2007). Die Items werden auf Rohdatenebene ausgewertet. Es liegen keine standardisierten Werte oder Normwerte vor. Zur graphischen Darstellung der Ergebnisse steht ein Profilblatt zur Verfügung. Eine Softwarelösung für die Auswertung liegt nicht vor.
Grundlagen und Konstruktion
Der SBQ orientiert sich konzeptuell an den theoretischen Arbeiten zum sexuellen Reaktionszyklus (Masters et al., 1997), biopsychosozialen Modellen sexueller Funktionsstörungen (Müller, 2011; Sadock, 1989) und der Klassifikation sexueller Funktionsstörungen der ICD-10 (WHO, 2011). Die Konstruktion des SBQ (Originalversion) erfolgte auf der Basis bereits bestehender Instrumente für den Einsatz in einer Studie mit schizophrenen Patienten mit dem Ziel, bei Gesunden und Patienten mit demselben Instrument sexuelle Funktionen und deren Störungen vergleichend erfassen zu können und darüber hinaus durch einfache, sehr verständliche Instruktionen und Itembeschreibungen einen breiten Einsatz zu ermöglichen (MacDonald et al., 2003; Müller, 2014). Die deutsche Version (SBQ-G) wurde mit Zustimmung der Autoren des Originalfragebogens durch adäquate Übersetzung und Anpassung an deutsche Sprachgewohnheiten (Konsensprozess mit jeweils zwei primär deutsch und zwei primär englisch sprechenden klinisch erfahrenen Psychiatern bzw. Psychologen [native speaker, 2 Männer, 2 Frauen]) konstruiert. In Pilotstudien mit Probanden und Patienten wurden Akzeptanz und Anwendbarkeit sowie die klinischen Einsatzmöglichkeiten des SBQ-G bei Patienten mit psychischen Störungen erprobt (teilweise nicht veröffentlicht). Die Items und ein Globalindex wurden nach rational-empirischen Kriterien formuliert; eine Skalenentwicklung oder Itemauswahl nach testtheoretischen Kriterien wurde nicht durchgeführt.
Empirische Prüfung und Gütekriterien
Reliabilität: Keine Angaben zu interner Konsistenz, Parallel- und Split-half-Reliabilität. Die Retest-Reliabilität (Cohens Kappa) der deutschen Version (Müller, 2007) bei Gesunden (n = 23, Retest nach 10-45 Tagen, Median = 17 Tage) für die Einzelitems: bei Männern (11 Items) Median = .71, bei Frauen (10 Items) Median = .79, in der Gesamtgruppe (7 Items) Median = .74; für die kategoriale Einteilung (Auffälligkeit: ja/nein, 14 Items, Gesamtgruppe) Median = .82. Der Globalindex (MGISD) erreichte Retest-Reliabilitäten von Kappa = .88 (Männer), Kappa = .86 (Frauen) bzw. Kappa = .90 (Gesamtgruppe). Für die Originalversion liegen keine Reliabilitätsschätzungen vor. Validität: Die Items zeigen hohe "face validity" (Inhalts- und Konstruktvalidität), die Originalversion (Vergleich von 60 Patienten mit schizophrener Störung und 60 gematchten Gesunden, Einfluss von Medikamenten, Geschlecht und Alter) belegen die klinische Validität (MacDonald et al., 2003). Normen: Repräsentative Norm- oder Vergleichswerte liegen nicht vor. Für die deutsche Version (SBQ-G) können die Daten aus der Reliabilitätsstudie (Müller, 2007) zum Vergleich herangezogen werden (n = 23 Gesunde). Für die englische Originalversion (MacDonald et al., 2003) sind die Itemergebnisse für n = 60 Gesunde und n = 60 Patienten mit schizophrener Störung, getrennt nach Männern und Frauen, verfügbar.
Testkonzept
Items
- Wie oft hätten Sie gerne Sex/Geschlechtsverkehr?
- Haben Sie Sex/ Geschlechtsverkehr?
- Wie oft befriedigen Sie sich selbst?
- Wie leicht werden Sie erregt bei Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung?
- Wie würden Sie Ihre Fähigkeit beschreiben, Sex (bzw. Selbstbefriedigung) zu genießen?
- Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Sexualleben (Geschlechtsverkehr/Selbstbefriedigung)?
Für Männer
7. Bekommen Sie eine Erektion (steifer Penis) (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
8. Wie oft können Sie eine Erektion (steifen Penis) aufrechterhalten (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
9. Wie oft ist der Samenerguss (Ejakulation) verzögert (sie brauchen eine lange Zeit um zu kommen) (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
10. Wie oft kommt ihr Samenerguss zu früh (kommen Sie zu früh) (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
11.Wie zufrieden sind Sie mit der Intensität ihres Orgasmus (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
Für Frauen
7. Wie leicht erreichen Sie Ihren Orgasmus (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
8. Wie zufrieden sind Sie mit der Intensität Ihrer Orgasmus (bei Sex/Selbstbefriedigung)?
9. Haben Sie Schmerzen beim Sex (Geschlechtsverkehr/Selbstbefriedigung)?
10. Wie regelmäßig habe Sie ihre Menstruation (Blutung, Tage, Regel, Periode)?
Durchführung
Altersbereiche
Prinzipiell gibt es für die Anwendung des SBQ-G keine Altersbeschränkung. Untersucht wurden bisher Probanden und Patienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren.
Durchführungszeit
Die Durchführungsdauer beträgt etwa 5-10 Minuten.
Bewertung
Der SBQ-G ist kurz und einfach zu beantworten und dient der individuellen oder epidemiologischen Erfassung von sexuellen Funktionsstörungen. Hohe Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität des SBQ-G können aufgrund der standardisierten Instruktionen angenommen werden. Das Verfahren ist zeitökonomisch (< 10 min), die deutsche Version zeigte bei Gesunden eine gute Akzeptanz (Rating nach Schulnoten 1-6, n = 23, Median = 2.0, Range 1-4; Müller, 2007). Weitere veröffentlichte Anwendungsstudien fehlen allerdings. Der Fragebogen ist durch die sorgfältige Auswahl der Itembeschreibungen besonders breit und anwenderfreundlich in der Normalbevölkerung und bei Patienten mit psychischen und somatischen Störungen oder unter Medikamentenwirkungen einsetzbar.
Erstmals publiziert in:
Müller, M. J. (2016). SBQ-G. Sexual Behaviour Questionnaire - deutsche Fassung. In Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) (Hrsg.), Elektronisches Testarchiv. Trier: ZPID. https://doi.org/10.23668/psycharchives.449 PSYNDEX Dok.-Nr. 9007011
Literatur
MacDonald, S., Halliday, J., MacEwan, T., Sharkey, V., Farrington, S., Wall, S. & McCreadie, R. G. (2003). Nithsdale Schizophrenia Surveys 24: sexual dysfunction. Case-control study. British Journal of Psychiatry, 182 (1), 50-56. (DOI: 10.1192/bjp.182.1.50)
Masters, W., Johnson, V. & Kolodny, R. C. (1997). Human sexuality (5th ed.). Allyn & Bacon.
Müller, M. J. (2007). Development and retest reliability of a German version of the Sexual Behaviour Questionnaire (SBQ-G). Archives of Andrology, 53 (2), 67-69.
Müller, M. J. (2011). Sexuelle Funktionsstörungen. In G. Gründer & O. Benkert (Hrsg.), Handbuch der Psychopharmakotherapie (2. Auflage, S. 362-371). Berlin: Springer.
Müller, M. J. (2014). SBQ-G. Sexual Behaviour Questionnaire - Deutsche Version. In D. Richter, E. Brähler & B. Strauß (Hrsg.), Diagnostische Verfahren in der Sexualwissenschaft (S. 158-161). Göttingen: Hogrefe.
Sadock, V. A. (1989). Normal human sexuality and sexual dysfunctions. In H. I. Kaplan & B. J. Sadock (Eds.), Comprehensive Textbook of Psychiatry, 5th edn. (pp. 1045-1061). Baltimore, MD: Williams & Wilkins.
World Health Organization (WHO). (Hrsg.). (2011). ICD-10-WHO Version 2011, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Version 2011. Köln: DIMDI.
Orginalfassung/Anderssprachlige Fassungen
MacDonald, S., Halliday, J., MacEwan, T., Sharkey, V., Farrington, S., Wall, S. & McCreadie, R. G. (2003). Nithsdale Schizophrenia Surveys 24: sexual dysfunction. Case-control study. British Journal of Psychiatry, 182 (1), 50-56. https://doi.org/10.1192/bjp.182.1.50 [original items appended pp. 54-55]
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